Am Ostermontag konnten wir endlich Adelaide verlassen. Wir packten unser Auto und nahmen Kurs Richtung Cape Jervis, von wo aus unsere Fähre um 12 Uhr Mittags ablegte.

Unterwegs genossen wir noch die herrliche Landschaft. Die Straße führte uns zunächst an den Rand des McLaren Valley, wo sie sich in sehr vielen Kurven durch die angrenzenden Hügel wand. Zwischendrin führte sie uns immer wieder an den Rand der Küste von wo aus man einen guten Blick auf die hiesigen Strände hatte. Der Rest der Strecke verlief durch das Landesinnere, das mit vielen Ocker- und Grüntönen aufwartete.

Cape Jervis war nur ein sehr kleiner Ort mit dem Anleger der Fähre als Mittelpunkt. Da wir noch eine Stunde Zeit hatten, reihten wir uns ohne Eile in die Warteschlange ein. Da wir bereits ein paar Tage zuvor die Fähre über Internet gebucht hatten, ging der Check In recht schnell von statten. Eine halbe Stunde später traf auch schon die Fähre ein.

Arne und ich verliesen unser Auto, da nur der Fahrer während der Beladung im Auto sein durfte. Pünktlich um 12 Uhr legten wir dann vom Dock ab. Das Wetter war wechselhaft und der Wind frisch. Da man Kangaroo Island bereits vom Festland aus sehen konnte, dauerte die Überfahrt nur ca. 45min.

Kurz vor der Insel klarte das Wetter auf und die Sonne erwärmte die Luft auf sehr angenehme 27 Grad. Außerdem war hier sowieso alles etwas anders. In Penneshaw, wo die Fähre dann zum entladen anlegte waren bereits die Strände weißer und das Wasser hatte einen grünlich blauen Schimmer und die Erde hatte eine starke Rotfärbung.

Unsere erste Anlaufstelle war das Touristeninformationszentrum. Da besorgten wir uns ein paar Karten und Infomaterial zur Insel und informierten uns über Einkaufsmöglichkeiten im Ort. Wieder einmal mussten wir staunen, denn Penneshaw war einer der größten Städte auf Kangaroo Island, doch sie war nicht größer als ein kleines Dorf mit einem Supermarkt, einem Tante Emma Laden und einer Tankstelle ohne Gas.

Im Supermarkt stellten wir fest, dass das Inselleben im wahrsten Sinne des Wortes seinen Preis hat. Alles war ungefähr 20-30% teurer als auf dem Festland. So schnappten wir uns eine Tüte Brot und 24 Liter Wasser und steuerten Richtung unserer Kartoffelfarm.

Die Straßen auf Kangaroo Island gehen meist über viele Kilometer immer schnurgerade aus. Man glaubt gar nicht, wie schnell einen diese monotone Fahrweise ermüdet. Zum Glück gab es unterwegs einiges zu sehen. Neben der wunderschönen Landschaft fiel einem besonders die unglaubliche Menge an toten Kangaroos und andern, unidentifizierbaren Kreaturen auf.

Auf Kangaroo Island gibt es keine Raubtiere und damit ist wohl das Auto Gefahrenquelle Nummer eins für die einheimische Tierwelt. An manchen Kadavern labten sich auch gerade riesige Adler, die mit ihren Flügelspannweiten von bis zu 2 Metern durchaus Respekt einflößten.

So fuhren wir mit angebrachter Vorsicht entlang der Ostküste bis wir den Playford Highway erreichten. Dort mussten wir uns entscheiden, ob wir rechts nach Kingscote oder links Richtung der Kartoffelfarm fahren sollten.

Da wir wieder Gas tanken mussten, aber auf dem Weg zur Farm noch ein Ort kommen sollte in dem man tanken konnte, entschieden wir uns gegen Kingscote. In besagten Ort angekommen, der noch kleiner war als Penneshaw und nur eine einzige Zapfsäule mit Benzin hatte, drehten wir gezwungenermaßen wieder um.

Wir dachten uns trifft der Schlag als wir sahen, dass das Autogas hier 96 Cent pro Liter kostete - in Adelaide waren es gerade mal 66 Cent. Wir tankten voll, füllten noch etwas Benzin nach und machten wieder kehrt.

Nach ca. 80 Kilometern bogen wir auf die Gosse Ritchie Road ein. Keine richtige Straße, eher ein breiter, gut ausgebauter Feldweg aus roter Erde und Schotter.

Wir folgten der Straße weitere 15 Kilometer und wirklich mitten im Nirgendwo, direkt an der Grenze zum Flinders Chase Nationalpark lag das Grundstück von Gordon und Ann, unseren neuen Arbeitgebern.

Der Weg zu ihrem Haus war von Wiese und ein paar Bäumen gesäumt. Er gabelte sich nach ein paar Metern. Der eine Weg führte direkt zum Haus und der andere zu ein paar Silos und zwei halbseitig offenen Scheunen in denen allerhand leere Kanister und landwirtschaftliches Gerät herumstand. Überall lagen verwitterte Baumaterialien und Schrottteile herum. Alles machte einen sehr verwilderten Eindruck.

Ein löchriger Drahtzaun grenzte das Grundstück von dem restlichen Umland ab. In zwei voneinander getrennten, kleinen eingezäunten Gehegen befanden sich ein paar Hühner und Enten. Hier und da lagen ein paar Knochen von Tieren auf dem Boden, sowie ein kompletter Schädel einer Ziege.

Direkt vor dem Haus einfachster Bauart standen ein Ford Falcon, und ein Jeep. Der Ford schien allem Anschein nach ein paar Backpackern zu gehören. Seltsam war nur, dass keines der Autos abgeschlossen war, und selbst der Schlüssel steckte noch im Zündschloss.

Vor der Eingangstür des Hauses befand sich eine kleine, selbstgebaute Terrasse. Der Grill und die hölzernen Stühle sahen ebenfalls so aus, als ob sie längere Zeit nicht benutzt wurden. Man hatte den Eindruck, als ob hier niemand wirklich wohnen würde, doch das würde keinen Sinn ergeben.

Plötzlich sagte Arne: „Hier sieht es aus wie in einem zweitklassigen Horrorfilm“. Irgendwie musste ich ihm Recht geben. Vielleicht waren wir auf dem falschem Grundstück? Doch auf einer Holztafel direkt vor dem Eingangstor, welche von einem Wellblech überdacht wurde, stand der Name „GT & AK Warner“ - also genau wonach wir suchen sollten.

Soweit das Auge reichte gab es auch keine anderen Häuser. Die einzige Erklärung die wir hatten war, dass alle noch auf Arbeit waren. Wir entschieden uns zu warten.

Circa eine Stunde später tauchte ein anderer Jeep auf. Ein Mann, schätzungsweise 55 Jahre alt und zwei Mädels, ca. 20 Jahre alt, stiegen aus. Er stellte sich als Gordon vor und während er uns über unsere bisherigen Tätigkeiten hier in Australien ausfragte, schicke er die Mädels weg.

Wir hatten uns zwar nur 15 Minuten mit ihm unterhalten, doch es kam uns wie eine kleine Ewigkeit vor. Es war deutlich herauszuhören, dass er seine Kartoffeln über alles liebt und dass er erst mit arbeiten aufhören würde, wenn sie ihn in einer Holzkiste zu Grabe tragen würden. Er betonte auch immer wieder, dass es unerlässlich sei bei der Arbeit seinen Kopf zu benutzen. Denn wenn man an schweren Maschinen arbeitet, können leicht sehr schwere Unfälle passieren.

Nach dieser sehr ausführlichen Erläuterung der Arbeitsweise zeigte er uns noch unsere neue Unterkunft für die nächsten Wochen. Ungefähr 500 Meter abseits von seinem Haus befanden sich noch zwei kleinere Wohnungen. Die eine wurde von den dänischen Mädels bewohnt. Die andere, kleinere Wohnung sollte unser Reich werden.


Eine Einzimmerwohnung mit Küche und Badezimmer. Die Wände waren mit Regipsplatten verkleidet, auf denen eine Tapete den Eindruck einer Holzverkleidung vermitteln sollte. Der Regips war allerdings an mehreren Stellen gebrochen, aber man wollte gar nicht wissen was sich dahinter befindet.

Der Boden war mit einer filzähnlichen Auslegeware verkleidet, die ebenfalls an mehreren Stelle eingerissen und vollkommen verdreckt war. Der Geruch war muffig, als ob schon seit einigen Monaten hier nicht mehr gelüftet wurde. Außerdem befanden sich mehrere große Schimmelflecken an der Decke.

In der Küche, die mit Ofen, Kühlschrank und Tiefkühler recht gut ausgestatte war, muss wohl irgendwo vor einiger Zeit ein Tier verendet sein - denn der Geruch von Verwesung lag in der Luft.

Im Bad befanden sich ein Waschbecken und eine Dusche, welche ebenfalls mal wieder gründlich gereinigt werden mussten. Das Klo befand sich außerhalb in einer kleinen 1x1 Meter großen Kammer. Es war dreckig und überall waren Spinnweben an den Wänden. Die Toilette an sich hatte schon eine grau-braune Färbung angenommen.

Gordon wünschte uns viel Spaß und verschwand durch die Tür.

Wir überlegten was wir jetzt tun sollten, denn für 3 Wochen wollten wir da nicht wohnen. Wir waren neugierig wie denn wohl die Mädels aus Dänemark so wohnten. Wir klopften an die Tür, einen Stimme bat uns einzutreten. Die Mädels saßen am Küchentisch und genossen ihr Abendbrot.

Eine saubere und voll ausgestattete Küche mit dunkler Holzverkleidung und Fliesenboden strahlte uns entgegen. Sie selbst schliefen im direkt angrenzenden Wohnzimmer auf ihren Luftmatratzen. Ansonsten befanden sich nur noch eine Handvoll Möbel in der Wohnung. Das Bad war ebenfalls mit einer Dusche und Waschbecken ausgestattet. Das Klo außerhalb mussten sie allerdings auch benutzen.

Wir unterhielten uns eine Weile über die Arbeit und wie es so ist hier zu leben. Die Mädels hatten sich anscheinend schon damit abgefunden. Warum auch nicht, denn sie lebten hier nicht schlecht. Wir waren schon wieder aus der Tür heraus und zurück in unserer Wohnung, als Luca vorschlug bei den Mädels mit einzuziehen.

Wir hatten gesehen, dass sie noch 3 weitere ungenutzte Räume zur Verfügung hatten. Erneut standen wir bei ihnen auf der Matte und baten um Asyl. Sie hatten nichts dagegen und so schafften wir unsere Habseligkeiten in einen der hinteren Räume.

Wir säuberten noch das Bad in der anderen Wohnung, denn wir wollten es den Mädels nicht antun sich eine Dusche mit drei Kerlen zu teilen. Nach einigen Bieren, die wir freundlicherweise spendiert bekamen, war es dann auch schon an der Zeit schlafen zu gehen.